Unternehmenskultur und Nachfolge

Julian_Utz

Im Gespräch mit Julian Utz, Unternehmensnachfolger und Mitglied des Vorstands

In den kommenden Wochen dreht sich bei uns alles um das Thema Unternehmenskultur und Nachfolge. Führungskräfte Deutschlands und Unternehmensnachfolger führender deutscher Familienunternehmen verraten uns exklusiv, wie die Kultur ihr Geschäft beeinflusst und wie sie von verschiedene Unternehmergenerationen unterschiedlich geprägt wurde.

Doch auch unabhängige Expert:innen aus Wissenschaft und Gesellschaft kommen bei uns zu Wort.

In diesem Interview spricht Julian Utz, darüber wie die erlebte Unternehmensnachfolge Chancen für Veränderung mit sich bringt.

Wie würden Sie die Vision und Werte ihres Unternehmens beschreiben?

Unsere Werte sind unser Herzschlag und weit mehr als Vision und Mission, die meist zeitlich begrenzt sind. Unsere Kernwerte treiben uns an und stärken langfristig das erfolgreiche und wertvolle Miteinander zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und zu unseren Kunden sowie Geschäftspartnern. Wir alle in der UZIN UTZ Familie wollen verlässlich, leidenschaftlich und kompetent handeln. Das sind unsere drei Erfolgsfaktoren, um nachhaltig erfolgreich zu sein. Das war nicht immer so. Denn seit 2018 sind mein Bruder und ich Teil des Vorstands und wir haben im Rahmen unseres Strategieprozesses unsere Werte auf den Prüfstand gestellt und erstmals international ausgerollt und verankert.

 

< >Andreas_Buhr - Experte

Andreas Buhr

Unternehmer, Autor & Redner

Foto: Privat

Welche Elemente sind für eine gesunde Unternehmenskultur unverzichtbar? 

„Klare, gelebte Werte. Das gilt für jeden im Team. Am besten top down, glaubhaft, authentisch, berechenbar, nachhaltig und transparent.“
 

 

Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur für Sie beim Erreichen der Geschäftsziele?

Unsere Unternehmenskultur ist für uns ein zentraler Baustein für den Erfolg. Daher ist es wichtig zu wissen, was uns zu einem starken Team und Partner macht. Und hier kommen wieder unsere drei Kernwerte ins Spiel, denn sie prägen unsere Kultur. Eine gute Kenntnis und das Gespür für die eigene Kultur geben Orientierung und lassen uns Entscheidungen für unser Unternehmen nachhaltig und wertvoll vorbereiten und mitgestalten.

Wir sind ein Familienunternehmen, das ist sicherlich ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal in unserer Branche. Uns ist es wichtig, global als ein Team zu agieren. Das ist nicht immer einfach, denn durch die verschiedenen Sprachen, die in unserem Unternehmen an den verschiedenen Standorten gesprochen werden, ist eine einheitliche Kommunikation schon eine Herausforderung. Umso wichtiger ist es, dass wir uns allen an den gleichen Werten und Prinzipien orientieren. Diese geben uns eine gemeinsame Klammer und sie stärken unser Miteinander. Und je besser wir als Team gemeinsam performen, desto erfolgreicher agieren wir am Markt.

 

Sie haben es gerade angesprochen: UZIN UTZ ist sowohl Familienunternehmen als auch ein global agierender Konzern, der international alle erreichen muss: Welche Kanäle nutzen Sie denn für den Austausch mit den Mitarbeiter:innen?

Das Hauptmedium in unserer internen Kommunikation ist unser weltweites Intranet. Wir haben darüber die Möglichkeit, Informationen und News, schnell und professionell in allen Sprachen zu kommunizieren. Zudem bietet dieses System auch die Möglichkeit, dezentrale Informationen über relevante Inhalte an den Standorten zu kommunizieren. Hier ist unser Intranet sicherlich das Hauptmedium, doch auch Printmedien werden in bestimmten Bereichen genutzt.

Wir nutzen für die Kommunikation auch unser Filmstudio. Gemeinsam starten wir beispielsweise weltweit das Jahr mit einer internationalen Kick-Off-Veranstaltung, die digital an alle Standorte per Livestream übertragen wird. Wir als Vorstand blicken gemeinsam auf die Erfolge im vergangenen Jahr, geben Ausblick auf das neue Jahr und beantworten virtuell eingereichte Fragen in der anschließenden Q&A-Session. Am Ulmer Standort laden wir 2x im Jahr zu „Ask Your Board“ ein. Kolleginnen und Kollegen können Fragen rund um Themen, die sie bewegen, direkt an uns stellen und wir geben Antwort. Wir reisen auch in die Länder und führen auch hier sogenannte „Ask Your Board“ Sessions durch.

 

Sie haben bereits angesprochen, dass Prozesse bei Ihnen auch Bottom-Up etabliert werden: Wie konkret wird Mitarbeiterfeedback bei Ihnen gehandhabt?

Zum einen gibt es natürlich Mitarbeitergespräche. Dieser Klassiker darf nicht fehlen. Hier geht das Feedback in beide Richtungen: mögliche Entwicklungs- und Verbesserungspotenziale werden im Miteinander abgestimmt. Darüber hinaus haben wir jährliche Mitarbeiterumfragen. Aber der persönliche Kontakt ist essenziell. Im Grunde kann man sagen, dass wir eine offene Kultur pflegen und auch offen mit Feedback umgehen. Wir sind dankbar, wenn sich die Mitarbeiter äußern und ihr offenes Feedback geben. Nur so können wir uns entwickeln.

 

Uzin Utz - Familie

Vier Familienmitglieder der Familie Utz sind im Unternehmen aktiv.

Foto: UZIN UTZ

Bemühen Sie sich bei UZIN UTZ um einen einheitlichen Führungsstil?

Wir fördern einen kooperativen Führungsstil, der Innovationen und kontinuierliche Verbesserungen vorantreibt. Aber der individuelle Stil muss auch zur Gesellschaft passen: wir haben variierende Gesellschaftsgrößen mit sehr unterschiedlich zusammengesetzten Teams: von der Produktionsgesellschaft zur klassischen Vertriebsgesellschaft mit fünf bis zehn Angestellten, ist alles dabei. Da gibt es unterschiedliche Anforderungsprofile an den Geschäftsführer oder an die Führungskraft. Aber insgesamt sollte sich hier natürlich immer die Unternehmenskultur widerspiegeln. Wir wollen, dass sich die Mitarbeiter überall gleich wohlfühlen, gleich anerkannt fühlen und auch die gleiche Wertschätzung erleben.

 

Welche Förderprogramme bieten sie ihren Mitarbeiter:innen, um sich persönlich weiterzuentwickeln?

Für Führungskräfte ist das Mitarbeitergespräch ein wichtiges Instrument, um die Potentiale und Entwicklungsmöglichkeiten zu besprechen. Außerdem arbeiten wir an einem Talentpool, dieser wird in Zeiten des demografischen Wandels immer wichtiger für uns als Unternehmen. Darüber hinaus haben wir aber auch unser sogenanntes „Horizonte“-Programm, bei dem sich die Kolleginnen und Kollegen einfach aktiv weiterbilden können. Von klassisch berufsbegleitender und persönlicher Fortbildung bis hin zu teamfördernden Maßnahmen wie zum Beispiel gemeinsame Koch- und Backkurse. Wir decken damit eine große Bandbreite ab. Ein weiteres Konzept, welches wir für die Mitarbeiter-Entwicklung aufgesetzt haben, nennt sich „EAM – Effizient arbeiten mit..“. Dieses ist speziell darauf ausgerichtet, den Mitarbeitern zu lernen, gut und effizient mit unseren bestehend IT-Tools umzugehen.

 

Welche Maßnahmen gibt es noch, um ein diverses und inklusive Arbeitsumfeld zu schaffen?

Multiperspektive macht uns stark und das versuchen wir in unsere Arbeitskultur zu integrieren. Wir arbeiten beispielsweise auch mit externen Organisationen zusammen, um Inklusion zu unterstützen. Dies sind gemeinnützigen Organisationen sowie die Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen. Wir tun alles, um eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der alle Mitarbeiter unabhängig von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, sexueller Orientierung, Behinderung, Alter oder anderen Faktoren, sich willkommen und wertgeschätzt fühlen.

 

Ich möchte abschließend noch ein bisschen über den Nachfolgeprozess bei UZIN UTZ sprechen, in den sie ja persönlich involviert waren: Welche Chancen für Veränderungen an der Unternehmenskultur haben Sie und Ihr Bruder bei Ihrem Antritt konkret erkannt?

Als wir 2018 in die Verantwortung treten durften, haben wir direkt erkannt, dass wir die globale Ausrichtung des Unternehmens anpacken wollen. Unser Vater ist ja 2016 aus dem operativen Geschäft ausgetreten und es war Vieles mit ihm selbst als Person verbunden. Zwar hat er bereits in die Internationalität des Unternehmens investiert, aber am Ende ist Wachstum primär in Ulm entstanden. Mein Bruder und ich durften ja schon vor unserer Ernennung in den Vorstand einige Jahre in den verschiedenen Gesellschaften außerhalb des Elfenbeinturmes Ulm unsere Erfahrungen sammeln und haben da natürlich einen wichtigen Einblick erhalten.

Mit unserer Strategie „Passion 2025“, haben wir die Strategie auf mehrere Schultern verteilt: wurde die Strategie früher primär mit fünf Kolleginnen und Kollegen im Stammhaus entwickelt, haben wir uns entschlossen die Gesamtorganisation, vertreten durch knapp 80 Kolleginnen und Kollegen, weltweit zu involvieren. 2022 haben wir dann unter dem Fokuspunkt „People“ damit begonnen, unsere Unternehmenskultur aktiv umzugestalten.

 

< >Sonja_Sackmann - Expertin

Prof. Dr. Sonja A. Sackmann

Organisationspsychologin & Professorin

Foto: Privat

Speziell bei Familienunternehmen: Ist Ihrer Meinung nach ein Generationen- wechsel ein sinnvoller Zeitpunkt, um einen Kulturwandel einzuleiten oder ist hier eher Kontinuität gefragt?

„Bei einem Generationswechsel sollte immer kritisch auf die vorhandene Unternehmenskultur geschaut werden, da es ein günstiger Zeitpunkt ist, ggf. einen Wandel einzuleiten. Jedoch ist nicht in jedem Fall ein Kulturwandel notwendig. Es sollte differenziert analysiert werden, was an der vorhandenen Unternehmenskultur geschätzt wird und gut ist, und was ggf. eine Anpassung, Erneuerung oder Veränderung benötigt.

Auch sollte die „neue Generation“ den Mut haben, wenn nach einer solchen kritischen Kulturanalyse sich die vorhandene Kultur als gut und für die Zukunft geeignet herausgestellt hat, auf Kontinuität zu setzten. Häufig wollen neue Top Führungskräfte ihren eigenen Stempel aufdrücken, auch wenn dies überhaupt nicht notwendig ist.“

Jetzt ist Kulturwandel immer so ein großes, aber sehr interpretierbares Wort. Würden Sie das, was Sie verändert haben, bereits als Kulturwandel bezeichnen?

Ja, es ist ein Kulturwandel dahingehend, dass wir mehr Kollegen in die Verantwortung nehmen und mehr Teilhabe schaffen. Ein Change Prozess kann nur erfolgreich sein, wenn alle die Veränderung verstehen, annehmen und am selben Strang ziehen. Wir brauchen unsere Führungskräfte, um unsere Kultur erlebbar zu machen.

 

Zum Abschluss nochmal etwas abstrakter gefragt: Welche Lektionen haben Sie aus diesem Nachfolgeprozess mitgenommen und was würden Sie anderen Familienunternehmen, die sich gerade auf den Nachfolgeprozess vorbereiten, mitgeben?

Oh, das ist eine gute und zugleich schwierige Frage.

Aus meiner Perspektive war es gut, dass wir eine Übergangszeit hatten, in der wir uns vorbereiten konnten. Die Implementierung einer neuen Strategie, die Neudefinition unserer Werte und unseres Purpose. Dies alles sind wir Schritt für Schritt angegangen und hatten eine klare Roadmap definiert. Natürlich gab es Überlegungen alles auf einen Rutsch zu machen — die Implementierung der Strategie mit dem Kulturprozess zu verbinden. Dies wäre aber ein zu großer Kraftakt gewesen. So haben wir uns entschieden den Prozess längerfristiger anzulegen. Die Kommunikation ist Dreh- und Angelpunkt eines solchen Change-Prozesses. Nur wenn die Mitarbeiter das „Warum“ verstehen, kann man an den gemeinsamen Zielen erfolgreich arbeiten. Und was würde ich vielleicht anders machen? Wenn eine Führungskraft sich partout verweigert, den gemeinsamen Weg einzuschlagen, wäre ich heute konsequenter. In einem internationalen Unternehmen, mit vielen Standorten, sollte es keine Unterschiede bei der Umsetzung der gesetzten Ziele geben.

Abschließend kann ich noch persönlich für mich sagen: in den ersten Monaten im Vorstand, in denen wir auch die Vorstandsressorts und -struktur umgebaut haben, hätte ich mir eine externe Betreuung an meiner Seite gewünscht. Wenn ich dann irgendwann den Staffelstab an die nächste Generation übergebe, würde ich dieser auf jeden Fall jemanden zur Seite stellen. Es wird oft unterschätzt, wie viel Zeit und Energie so ein Change Prozess mit sich bringt.

 

Interview: Maximilian Kaiser

In dieser Reihe haben wir die selbstgewählten Personenbezeichnungen der Interviewpartner beibehalten.  Dadurch entstehen Unterschiede in der Genderschreibweise.

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